Wie können Sozialunternehmen in die Entwicklung und das Funktionieren der kommenden EPR-Systeme für Textilien einbezogen werden?
Sozialunternehmen, die in der Wiederverwendung tätig sind, haben momentan eine unsichere finanzielle Situation: Massnahmen zur Beschäftigungsförderung werden reduziert, ihre Dienstleistungen für die Wiederverwendung und die Strukturen, die sie für die notwendige Abfallvermeidung und Kreislaufwirtschaft aufgebaut haben, werden seitens den Abfallwirtschaft kaum honoriert. Der Verfall dieser Strukturen droht, wenn die Unternehmen nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können.
Eine wesentliche Frage für ihre wirtschaftliche Absicherung ist, wie Sozialunternehmen in die Entwicklung und das Funktionieren der kommenden EPR-Systeme, z.B. für Textilien, einbezogen werden können. Das englische Kürzel EPR bedeutet ‘extended Producer Responsibility’ (erweiterte Herstellerverantwortung).
Diese Systeme verpflichten Modemarken und Textilhersteller zur Zahlung von Gebühren, die zur Finanzierung der Kosten für die Sammlung und Behandlung von Textilabfällen beitragen sollen. Die Systeme sollen laut EU-Umweltrat bis zu 30 Monate nach Inkrafttreten der kürzlich überarbeiteten Rahmenrichtlinie implementiert werden.
Die Position des Rates erkennt zudem die Schlüsselrolle der Akteure der Sozialwirtschaft bzw. gemeinnützigen Sammlern an.
In der Zukunft von EPR wird es um Fragen von ‚Governance‘, also Steuerungs- und Regelsystemen, der Kostendeckung und des Zugang zu Abfallströmen für soziale Unternehmen gehen.
In den Niederlanden sind Sozialunternehmen im Re-use bereits an der EPR für Elektronik, Textilien und Möbel beteiligt, die sich noch im Aufbau befindet. In anderen Ländern sind Sozialunternehmen auch an ihren eigenen EPRs beteiligt, aber die Vorschriften sind unterschiedlich.
Zur Lage in der TEXTIL-Branche
„Der Sektor hat zu kämpfen, seit der Aufstieg der Fast- und Ultra-Fast-Mode den Markt mit minderwertigen, auf fossilen Brennstoffen basierenden Teilen überschwemmt, die in noch nie dagewesener Geschwindigkeit produziert werden. Die bestehende Infrastruktur ist schon lange vor Beginn der getrennten Sammlung überlastet. Sortieranlagen gehen aufgrund der sinkenden Preise und steigenden Mengen in Konkurs. Die Betreiber können die wiederverwendbaren Gegenstände nirgendwo hinbringen und sie nicht unbegrenzt lagern. Diese Situation zwingt uns fast dazu, den Betrieb einzustellen, was nicht nur eine Gefahr für die Umwelt, sondern auch für die Tausenden von schutzbedürftigen Menschen darstellt, die in unseren Sozialunternehmen beschäftigt sind. Auch der grenzüberschreitende Gebrauchtkleidermarkt innerhalb der EU ist gesättigt und die Recyclingmöglichkeiten sind uneinheitlich. Die Einzelhandelsumsätze liegen unter allen Haushaltsprognosen.“ (Zitat aus dem Brief von Th Ahlmann)
Ab 2025 wird der Markt in der Lage sein müssen, höhere Eingangsmengen aufzunehmen, da die Sammelmengen voraussichtlich noch schneller ansteigen werden, wenn die Mitgliedstaaten mit der Einführung der getrennten Sammlung von Textilabfällen einführen, um die Verpflichtungen der überarbeiteten Abfallrahmenrichtlinie zu erfüllen. Es wurde geschätzt, dass die Sammlung EU-weit zwischen 2018 und 2025 um 79 % zunehmen wird, wobei zusätzlich 2,1 MT gesammelt werden, für die für die weitere Sortier- und Recyclinginfrastrukturen sowie Märkte für gebrauchte Textilien und recycelten Rohstoffen erforderlich sein werden. Vor kurzem hat auch China begonnen, seinen Markt zu erweitern, indem es zum viertgrößten Exporteur von Altkleidern weltweit, was den europäischen Markt für Wiederverwendung zusätzlich unter Druck setzen wird.
Wie im Fahrplan für die EU-Strategie für Textilien hervorgehoben wird, kann die erweiterte Herstellerverantwortung eine wichtige Rolle bei der Förderung nachhaltiger Textilien und der Behandlung von Textilabfällen im Einklang mit der der Abfallhierarchie spielen. Ordnungsgemäß umgesetzte EPR-Regelungen würden Innovationen anregen und die Bewältigung der erwarteten höheren Sammelmengen unterstützen.
Die richtige Sortierung von Textilien ist von entscheidender Bedeutung und gewährleistet, dass die größtmögliche Menge an gesammelten Textilien für die Wiederverwendung vorbereitet werden kann.
Die Vorbereitung für die Wiederverwendung erfordert, dass jedes einzelne gebrauchte Textilstück von einem und von einem fachkundigen Sortierer bewertet wird.
So wird sichergestellt, dass die Artikel so wiederverwendet werden, dass sie den Anforderungen des Marktes wie Klima, Mode, Farbgebung und Größen entsprechen. Bei Fraktionen, die nicht wiederverwendet werden können, sorgt das Sortierunternehmen dafür, dass die nicht wiederverwendbaren Fraktionen in geeigneten Verfahren (z. B. Recycling oder thermische Verwertung).
In weniger als zwei Monaten wird die EU mehr Textilien als je zuvor sammeln, da die EU-weite Verpflichtung zur getrennten Sammlung von Textilien am 1. Januar 2025 in Kraft tritt. Doch neben dem Fehlen von Mechanismen, die die getrennte Sammlung ermöglichen, mangelt es auch an Kapazitäten, Infrastruktur und Finanzmitteln für die Sortierung, die Vorbereitung zur Wiederverwendung und das Recycling der gesammelten Textilien. Der Textilmarkt ist bereits gesättigt, die Verarbeitungsbetriebe brechen zusammen, und eine Finanzierung auf der Grundlage der erweiterten Herstellerverantwortung wird frühestens in zwei bis fünf Jahren möglich sein. Darüber hinaus befindet sich der Sektor selbst in Ländern, in denen die EPR bereits eingeführt ist, wie z. B. in Frankreich, in einer noch nie dagewesenen Krise und ist nicht mehr in der Lage, den Bedarf zu decken, da das EPR-System noch stark verbessert werden muss, um perfekt zu funktionieren. Aus diesem Grund sind sich unsere Mitglieder in der gesamten EU einig, dass der Textilsektor in der EU vor seiner bisher größten Krise stehen könnte.
„Da es keine angemessenen und wirksamen EPR-Gebühren zur Finanzierung der Aufbereitung gesammelter Textilien gibt, fordern wir eine Intervention, die der Schwere der sich abzeichnenden Krise gerecht wird: Die EU sollte eine Notfinanzierung bereitstellen, um bestehende Einrichtungen und Betreiber sowie die Zukunft der textilen Wertschöpfungsketten zu schützen.“ Zitat aus dem Brief Th Ahlmann, Fairwertung
Zum Weiterlesen:
https://rreuse.org/work-areas/environmental-and-circular-policies/
GftZ: Hintergründe und Strategien zum Aufbau eines Systems für eine „Erweiterte Produzentenverantwortung für Textilien“ (2019)
Bvse Textilstudie (2020)
Bünemann A. et al (2019): Erweiterte Produzentenverantwortung für Textilien; Fachtagung GftZ, 27.11.2019 in Berlin
TRA – Extended producer responsibility on clothing and textiles (2020)
Roadmap EU Strategy on Textiles (2021)